150 Jahre Düfte & Aromen – Industriegeschichte in Holzminden
Nov. 8
3 Min. Lesezeit
Mit der synthetischen Darstellung des Vanillins und der Gründung von Wilhelm Haarmanns Vanillinfabrik im Jahre 1874 begann in Holzminden ein einzigartiges Kapitel der Industriegeschichte.
Schon vor der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurden bei Haarmann & Reimer noch weitere synthetische Duftstoffe und Aromen entwickelt, die das Wachstum und den Aufstieg dieser Industrie in Holzminden im 20. Jahrhundert begründete. Neben Haarmann & Reimer entstand 1919 mit Dragoco ein zweites bedeutendes Unternehmen dieser Branche in Holzminden.
Durch die Fusion dieser beiden Unternehmen entstand Anfang der 2000er Jahre Symrise. Nach einer schwierigen Anfangszeit, ging Symrise 2006 an die Börse und wurde 2021 in den Dax aufgenommen. Heute ist Holzminden Sitz des weltweit viertgrößten Herstellers von Duft- und Aromastoffen.
In dem Buch „150 Jahre Düfte und Aromen – Industriegeschichte in Holzminden 1874 - 2024“ wird die Geschichte von der kleinen Vanillinfabrik bis zum Dax-Unternehmen anhand informativer Texte sowie einer Vielzahl historischer Dokumente und Fotografien nachgezeichnet. Erstmals ist eine kontinuierliche Darstellung ohne größere Lücken gelungen. Im Fokus steht zwar die Entwicklung in Holzminden, aber die Zusammenhänge mit der allgemeinen Wirtschaft- und Zeitgeschichte werden nachvollziehbar dargestellt, zumal das Holzmindener Unternehmen schon von Beginn an international ausgerichtet war: Bereits 1876 stellte Wilhelm Haarmann sein künstliches Vanillin auf der Weltausstellung in Philadelphia vor.
Das neue Buch von Jörg Mitzkat „150 Jahre Düfte & Aromen – Industriegeschichte in Holzminden“ zeichnet anhand informativer Texte, aufschlussreicher Quellen und zahlreicher historischer Abbildungen diese Geschichte nach und stellt Zusammenhänge zur allgemeinen Zeit- und Wirtschaftsgeschichte dar. Dies ermöglicht teilweise überraschende Einsichten. Obwohl der Anspruch des Buches nicht wissenschaftlich ist, legt der Autor erstmals eine Darstellung der Duft- und Aromastoffindustrie von Holzminden vor, die keine größeren Lücken aufweist.
1874 gründete Wilhelm Haarmann in Altendorf bei Holzminden seine Vanillin-fabrik. Der Wissenschaftler hatte einen Weg gefunden, das immer beliebter werdende Vanille-Aroma synthetisch herzustellen, und wollte daraus nun auch wirtschaftlich Profit schlagen.
Wilhelm Haarmann wurde von seinem Vater, der mit dem Abbau und der Weiterverarbeitung von Sollingsandstein in Holzminden erfolgreich wirtschaftete, ein alten Schuppen zur Verfügung gestellt. Dort richtete er ein chemisches Labor ein und begann mit Hilfe eines Assistenten mit der ersten Produktion von Vanillin. Welche Weitsicht und welcher Optimismus den Unternehmer vorantrieb, wird deutlich, wenn man sich vorstellt, dass die dörfliche Umgebung dieser chemischen Produktionsstätte von Pferdefuhrwerken und kleinbäuerlicher landwirtschaft geprägt war. Schon 1875 wurden durch seinen Freund und stillen Teilhaber Ferdinand Tiemann die ersten Geschäftsbeziehungen nach Frankreich aufgabaut, und 1876 präsentierte Haarmann sein synthetisches Vanillin auf der Weltausstellung in Philadelphia.
Mit dieser unternehmerischen Haltung setzte Wilhelm Haarmann den Grundstein für die nunmehr 150-jährige Industriegeschichte der Duft- und Geschmacksstoffproduktion in Holzminden. In diese lange Zeit fielen zwei Weltkriege und einige tiefgreifende Wirtschaftskrisen.
Dieses Buch verbindet sehr unterschiedliche Aspekte miteinander: Es ist die Geschichte eines Erfinders, der von Anfang an die geschäftsmäßige Verwertung seiner Idee im Auge hatte. Dabei hat sich allerdings erwiesen, dass diese Idee mit Hilfe anderer Forscher und Techniker noch weiter entwickelt werden musste.
Das Buch zeigt aber auch, dass die Zeit gekommen sein muss, damit sich eine Idee durchsetzt. So brachte Wilhelm Haarmann bereits mehr als 20 Jahre vor Dr. Oetker Vanillinzucker in Tütchen verpackt auf den Markt. Allerdings blieb der Erfolg aus. Erst nachdem Dr. Oetker mit Backpulver-Tütchen den Markt erobern konnte, wurden auch die Vanillinzucker-Tütchen nachgefragt. Haarmann & Reimer hatte sich damals bereits wieder aus dem Endkundengeschäft zurückgezogen.
Interessant im Laufe dieser 150-jährigen Industriegeschichte ist auch die Frage, wie die vielfältigen Krisen in diesem Zeitraum bewältigt wurden. Aufschlussreich ist diesbezüglich schon das Gründungsjahr des zweiten Holzmindener Duft- und Aromaherstellers, Dragoco. Dieses Unternehmen, das 2003 mit Haarmann & Reimer zu Symrise fusionierte, wurde 1919 zu einem vermeintlich ungünstigen Zeitpunkt in den Wirren der Nachkriegszeit gegründet.
Doch der Erste Weltkrieg hatte – ebenso wie der Zweite Weltkrieg – durch die Rohstoffknappheit in Deutschland dazu beigetragen, dass Vorbehalte gegenüber künstlichen Duft- und Aromastoffen abgebaut wurden und dieser Industriezweig gewissermaßen einen Boom erleben konnte.
Dass diese Industriegeschichte auch ganz allgemein Zeitgeschichte dokumentiert, lässt sich auch daran ablesen, dass es dem Unternehmen – im Gegensatz zu früheren Zeiten – heute darum geht, trotz der industriellen Produktionsbedingungen natürliche und nachhaltige Stoffe zu entwickeln.
Das mit mehr als 300 historischen Dokumenten und Fotos illustrierte 160 Seiten umfassende Buch und ansprechend gestaltete Buch ist in einer deutschen und einer englischen Version
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